Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich diese Information als Blog verpacken will. Ob ich mehrere Einträge daraus mache oder alles in einen packe. Während ich geschrieben habe, hab ich gemerkt, dass es ganz schön lang wird. Deshalb werde ich mehrere daraus machen, aber mit dem aktuellen Datum.
Wie ihr wisst bin ich ja Physiotherapeut und hab hier meine eigene Praxis aufgebaut. Die Übrigens im November ein Jahr alt wurde! Wahnsinn wie die Zeit vergeht! Dennoch hab ich weiterhin Ausschau nach Festanstellungen gehalten. Leider sieht es da ja nicht so gut aus, doch auf jede Stelle hab ich mich natürlich beworben und hatte mehr oder weniger Erfolg. Ich hab auf jeden Fall viel an Erfahrung gewonnen. Marcos Kollegen in der Arbeit haben sich auch immer wieder erkundigt ob denn schon was Brauchbares dabei war. Voll lieb!
Und ich hatte jetzt auch mal Glück!! Jippi!!!
Ich beginne mal von vorne zu erzählen – immer schön der Reihe nach. Am Dienstag den 25. Oktober hat Marco mir eine SMS geschickt, dass die Frau seines Kollegen von einer freien Stelle für einen Physiotherapeut gehört hat. Und ich soll ihr doch bitte, so schnell wie möglich, meine Telefonnummer schicken. Das hab ich natürlich gleich gemacht und saß dann wie auf heißen Kohlen und hab den ganzen Tag auf einen Anruf gewartet. Vergeblich.
Am nächsten Tag kam dann allerdings einen Nachricht, ob ich denn nicht morgen (also Donnerstag der 27.10.) Zeit hätte für ein Gespräch. Ich hab mich riesig gefreut und hab natürlich zugesagt. Ich wusste übrigens noch nicht worum es denn eigentlich geht, aber was macht man nicht alles wenn man „verzweifelt“ (ganz so schlimm ist es noch nicht) ist?!
So bin ich am Donnerstag mit meinem Fahrrad und meinen Unterlagen nach Sandnes gefahren.
Es stellte sich heraus, dass die Leitung der Abteilung ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin damals in Berlin gemacht hat. Das hab ich mal als Vorteil gewertet. Denn so weiß sie wenigstens ungefähr was ich kann und was nicht (es gibt nämlich Unterschiede, aber das kann ich euch ja ein ander Mal erzählen). Und es war vielleicht nicht gleich ein Minuspunkt, dass ich Ausländer bin (man muss leider sagen, allerdings völlig verständlich in der derzeitigen Situation in Rogaland, dass die ausländischen Fachkräfte in meinem Berufszweig nicht die 1. Wahl sind. Das liegt einfach daran, dass es hier grad ein Überangebot gibt. Auf eine Stelle bewerben sich über 150 Therapeuten, da kann man dann schon einen sehr gut qualifizierten erfahrenen norwegischen Therapeuten finden. Würden wir doch nicht anders machen, da mach ich den Norwegern gar keinen Vorwurf). Und auch mit der Sprache war sie sehr zufrieden, wir konnten das Gespräch ohne Probleme auf Norwegisch führen.
Die Chefin erklärte mir um was für eine Art Job es eigentlich gehen sollte und wie die Abteilung aufgebaut ist und noch einiges mehr.
Hier eine kurze Zusammenfassung:
Ich soll dort als Vikar arbeiten. Das würd ich wahrscheinlich mit Vertretung übersetzen. Eine Kollegin fällt wegen Krankheit für unbestimmte Zeit aus und ich soll sie solange vertreten/ersetzen. Ist ganz gängig hier (wird zum Beispiel auch im Sommer gemacht, damit die eigentlich Arbeitskräfte lange Sommerurlaub nehmen können und es kein Problem ist wenn alle gleichzeitig fehlen, denn dann stellt man einfach Vikare ein – ganz schön schlau die Norgis).
Ich sollte in einer Spezialabteilung der Kommune arbeiten. Es gibt dort 3 verschiedene Anstellungsplätze für Physiotherapeuten. 1. man arbeitet quasi in einer Praxis und behandelt nur Kinder oder 2. man arbeitet in einer Praxis und behandelt nur Erwachsene und 3. die Spezialabteilung
Bei der Spezialabteilung handelt es sich um die „Hverdagsrehabilitering“ also frei übersetzt in der Alltagsrehabilitierung. Hört sich auf Deutsch völlig bescheuert an. Das Ziel ist es den Leuten in der Kommune zu ermöglichen so lange wie möglich zu Hause wohnen zu können und nicht in ein Altenheim oder gar Krankenhaus zu müssen. Eigentlich eine super Idee und es funktioniert sogar tatsächlich.
Und zwar läuft es so ab. Ein Physio- und ein Ergotherapeut fahren zu einem potenziellen Patient. Dieser wird befragt, die individuellen Ziele werden herausgestellt (z.B. wieder Essen selbst zubereiten zu können, oder die Post holen, oder sich wieder selbst ankleiden – alles was so den Alltag betrifft eben), es wird der physische aktuelle Stand aufgenommen (mittels einen Test – das wäre dann meine Aufgabe) und besprochen wie dieses „Projekt“ ablaufen soll. Denn das Angebot geht über 4 Wochen mit intensivem Training jeden Tag mindestens eine halbe Stunde. Wenn der Patient sich dazu entscheidet mit zumachen, dann wird ein neuer Termin vereinbart an dem man das Trainingsprogramm einführt.
Die Therapeuten fahren zurück in die „Zentrale“ und werten die Tests aus und erstellen einen an die Ziele des Patienten angepassten Trainingsplan (in der Regel macht das eigentlich der Physiotherapeut). Dieser Trainingsplan wird dann an einem neuen Termin an den Trainer und den Patienten übergeben. Hier kommt nämlich der Clou. Ein Physiotherapeut, der das tägliche Training dann auch durchführen sollte, wäre hier in Norwegen (das wäre in Deutschland nicht das Problem, da man ja eh schon nichts verdient) natürlich viel zu teuer (man muss auch dazu sagen, dass dieses Angebot die Patienten keinen Cent kostet, sondern die Kommune alles übernimmt. Ob ich das gut finde oder nicht ist eine andere Geschichte, dazu vielleicht auch ein ander Mal). Das Training übernimmt ein „helsefagarbeider“. Ich würd sagen das ist sowas wie ein Pflegehelfer. Sie haben also keinerlei Ahnung von Trainingslehre und auch nur bedingt über Therapie und die Hintergedanken die dahinter stecken. Das ist leider der große Schwachpunkt dieser „Hverdagsrehabilitering“, denn so geht definitiv Qualität verloren. Deshalb kann das Training nicht ganz so gut gestaltet werden, wie wenn das ein Therapeut machen würde, denn dieser könnte individuell auf jeden Tag und Situation reagieren, das ist dem „helsefagarbeider“ nicht möglich. Aber man steht natürlich in engem Kontakt und nach 2 Wochen kommt der Therapeut nochmals und überprüft die Trainingsfortschritte und passt den Trainingsplan nochmals an.
Nach den abgelaufenen 4 Wochen kommt dann der Physio- und Ergotherapeut nochmals und macht die Befragungen und Tests vom Anfang. So kann der Fortschritt nicht nur subjektiv erfasst werden.
Das heißt meine Aufgaben werden sein:
– die Beurteilung bzw. Auswertung des Patienten und dessen Ziele (mit einer speziellen Befragung und Testung – übrigens mega simpel, fordert jetzt nicht meine höchsten fachlichen Kompetenzen)
– Erstellung des Trainingsplans (es gibt eine PowerPoint-Präsentation aus der man verschiedenste Übungen auswählen kann)
– Übergabe des Trainingsplans an den „hjemmetrener“ und den Patienten
– Abschlussauswertung nach 4 Wochen
– Dokumentation (die einzelnen Schritte müssen natürlich alles schriftlich festgehalten werden)
An sich nicht der spannendste Job, aber es soll ja für mich nur auf Zeit sein und ich werde so mit Sicherheit viel über das System und der Organisation erfahren. Und auch sprachlich wird das mit Sicherheit förderlich sein.
Deshalb entschloss ich mich das Angebot an zunehmen und sollte dann am Dienstag, den 1. November beginnen.
Am Wochenende zuvor hab ich mich dann in den Test und in die Infobroschüre eingelesen, die die Patienten bekommen, damit ich auch weiß was da drin steht.
Oh das wird soooo spannend – hab ich bestimmt 100mal zu Marco gesagt.
Wir freuen uns für dich und mit dir! Viel Erfolg.
Oma und Opa
Danke!
[…] Mittwoch, 23.11.16 – Glücksnovember?! Ein neuer Job!!! […]