Heute möchte ich euch erzählen, wie es mir als Physiotherapeutin so in Norwegen geht.
Vor unserem großen Schritt, dem Umzug nach Norwegen, letztes Frühjahr, ging es Norwegen wunderbar. Es gab viele Stellen für Physiotherapeuten, genügend Patienten und somit immer genug zu tun.
Leider kam kurz nach unserem Umzug die Ölkrise, von der sich Norwegen leider bis jetzt noch nicht erholt hat (und leider auch noch eine Weile brauchen wird). Vor allem die Region in der wir wohnen (Stavanger), hat es besonders hart getroffen, denn hier ist quasi die Hauptstadt des Öls.
Es wurden 1000ende Menschen entlassen (was für ein so dünn bevölkertes Land wie Norwegen, 5,21 Mio, ein großes Problem ist) und viele haben natürlich die Region verlassen (zurück in ihr Heimatland oder in eine andere Region in Norwegen).
Das zieht leider seine Kreise, denn nicht nur die Ölbranche hat diese Krise voll abbekommen, nein, auch andere Branchen. So auch die Physiotherapeuten. Es mussten Praxen geschlossen werden, es gibt quasi kaum mehr offene Stellen und wenn doch, dann bewerben sich da gleich mehr wie 100 Leute auf eine Stelle.
Das sind leider nicht die optimalen Voraussetzungen für einen Start in einem neuen Land. Es wurden neue Sprachstandards eingeführt, damit man die Bewerber besser aussieben kann. Und obwohl ich, denk ich, mit gutem Gewissen behaupten kann, mein Norwegisch ist ausreichend für eine gute Therapie, ist mein Norwegisch noch weit entfernt von den Anforderungen. Und natürlich werden die Stellen erstmal mit Norwegern besetzt. Ist ja auch ganz logisch und verständlich. Da sinken die Chancen dann doch ganz tief.
Deshalb hatte ich mich ja damals für den Versuch begeistert, meine eigene Praxis zu gründen.
Der Start ist eigentlich richtig gut gelungen, doch mit jedem Monat kam ich mehr ins Holpern.
Denn die Kunden wurden immer weniger (Behandlung abgeschlossen, in eine andere Stadt gezogen und fast keine neuen mehr). Es kam keine Hilfe der Ärzte (hatte ich mir eigentlich schon erhofft und wurde mir versprochen, geht man ja auch eigentlich davon aus, wenn man in einem großen Ärztezentrum arbeitet). Könnt ihr euch vorstellen in den vergangenen 6 Monaten kam kein einziger Patient von den Ärzten. Schon traurig.
Wo wir beim nächsten Thema währen. Auch die Praxisräumlichkeiten verliefen nicht nach Plan. Es wurde einfach nicht regelmäßig geputzt. Das geht einfach gar nicht in einem Gesundheitsunternehmen. Und wenn man sich dann beschweren wollte, dann hieß es immer nur: „Tut mir leid, ich möchte mich nicht ständig bei den Ärzten beschweren.“ (Linn – die andere Physiotherapeutin, die mir ihren Raum vermietet). Und wenn ich mich dann direkt an die Ärzte wende heißt es nur: „Tut mir leid, wir sind nicht für dich zuständig, wende dich doch bitte an Linn.“ Na herzlichen Dank auch.
Ich habe 3 Monate geraucht um endlich einen Schlüssel für die Haupttür zubekommen. Damit ich auch nach 15Uhr Patienten behandeln kann.
Ich durfte keine Flyer aushängen, meine Karten nicht ins Wartezimmer stellen (so wie der Chiropraktiker und die andere Physiotherapeutin). Und noch vieles mehr.
Und da ich zum Schluss leider nur noch 2-3 Patienten hatte (nein, nicht am Tag, leider nicht mal in der Woche), hat sich das für mich natürlich überhaupt nicht gerechnet.
Ich habe ständig nach Alternativen gesucht. Versucht irgendwo einen anderen Job zu bekommen, neue Konzepte, Vereine anschreiben. Irgendwann kam ich auf die Idee das ganze bei mir Zuhause stattfinden zulassen. Also habe ich darüber Informationen gesucht, ob das denn überhaupt möglich ist.
War gar nicht so einfach. Die einen wollten mir nur weiterhelfen, wenn ich Mitglied werde und jährlich 800€ bezahle (wär ich in den Geldtopf gefallen, dann wäre ich jetzt nicht in der Situation). Aber Hartnäckigkeit macht sich bezahlt und irgendwann kam ich an die Informationen, die ich wollte.
Ja, es ist möglich bei sich zu Hause zu behandeln, es muss nur allen Personen möglich sein zur Behandlung zukommen. Ok, super! Endlich mal wieder was Positives!
Danach ging es mit erneutem Planen los. Marco hat unsere Vermieterin gefragt, ob von ihrer Seite etwas dagegen spricht, aber sie hat ihr Okay dazu gegeben. Eine weitere Frage, die mich viele schlaflose Nächte gekostet hat, wo soll das Ganze in unserer Wohnung eigentlich stattfinden. Und irgendwann war für jede Frage eine zufriedenstellende Antwort gefunden und ich habe die Praxisräumlichkeiten gekündigt. Das war im Februar. Und jetzt zum 1. Mai fand der Umzug in die „neue“ Praxis statt.
Ein Sofa musste weichen (das steht jetzt bei Marco in der Arbeit), es wurde ein bisschen umgeräumt, aufgeräumt und um dekoriert. Und jetzt ist genug Platz für eine Behandlung und auch für ein Training. Und da es ja keine Massen gibt (leider) die jeden Tag kommen, sollte das hier jetzt als Übergangslösung auch gut funktionieren.
Leider hat sich die Arbeit mit dem Umzug nicht erledigt, denn jetzt muss die Homepage neu gestaltet werden, meine 1000 Flyer und Visitenkarten brauchen eine neue Adresse, die Kundenwerbung steht auch noch an und noch vieles mehr.
Aber ich sehe es als einen weiteren Schritt nach vorne! Denn ich muss nicht mehr Busfahren (aber keine Sorge, ich bin mir sicher, ich muss noch oft genug mit dem Bus fahren und kann euch neue „Busgeschichten“ erzählen), ich muss mich nicht mehr mit den Ärzten, den nicht vorhandenen Parkplätzen, der Putzfrau oder sonst jemand rumärgern.
Ich hab viele Ideen und neue Konzepte, die ich umsetzen möchte und so habe ich für das nächste halbe Jahr mit Sicherheit genug zu tun. Und hoffentlich schaffe ich es so, unseren Traum von Norwegen weiter am Leben zu erhalten.
Keiner von uns hat gedacht es würde leicht werden, aber das es so ein Kampf sein wird, damit hab ich auch nicht gerechnet. Aber man muss sich einfach immer im Klaren sein, wie sein Leben aussehen soll. Und ich bin noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg dorthin. Man steckt sich seine Etappenziele und hofft sie in einer guten Zeit zu erreichen, aber Leute ich muss euch sagen, auch wenn der Weg wirklich sehr holperig ist, die Aussicht ist einfach gigantisch! Da fällt es einem gar nicht so auf, wie schwer der Weg doch eigentlich ist. Und ich hab super Unterstützung an meiner Seite! Mein Schatzi!!! Meine tolle Familie!!! Meine Freunde!!! Und in gewisser Weise auch ihr, denn ihr seid so fleißige Leser, ich freue mich jedes Mal darüber!!!
Ich hoffe, dass ich meine Etappen meistern werde und so immer näher ans Ziel komme! Ich wünsche euch viel Spaß und Freude mich auf diesem Weg weiter zu begleiten!