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So heute kommt endlich die große Enthüllung, die ich schon lange versprochen habe.
Ich hab nämlich seit Juli eine Sommervikarstelle in der „Hverdagsrehabilitering“. Dort hab ich ja schon mal gearbeitet. Aber immer nur kurz und auf Abruf. Jetzt hab ich einen Vertrag von Anfang Juli bis Ende September. Ich soll jetzt quasi über den Sommer aushelfen. Es ist eine 50% Stelle. Einfach super!!! Ich hab mich sooo riesig gefreut als Tina angerufen hat und gefragt hat, ob ich Zeit und Lust dazu hätte.

Ich hatte mir ja schon Gedanken gemacht, wie es bei mir weiter gehen soll. Denn die Kunden kommen leider nicht von alleine. Man muss schon einiges an Zeit investieren, dass man auch was zu tun hat. Deshalb hatte ich den Plan evtl. noch einmal ein Angebot bei Letsdeal (Couponaktion) zu machen. Im Winter war dann eine eigene Aktion für meine Kunden geplant (da diese nicht bei der Letsdealaktion teilnehmen dürfen) und für den Frühling hatte ich den Plan einen Kurs zu geben (Kinesiotaping). Aber das wird sich jetzt natürlich alles ein bisschen verschieben, da ich jetzt vermutlich gar keine Zeit haben werde um all das umzusetzen. Aber das ist ja eigentlich positiv, dass ich weniger Zeit habe.

Das heißt also ich arbeite jetzt 3 Tage die Woche in der Sandnes Kommune (Montag, Mittwoch und Freitag) und die restliche Zeit in meiner eigenen Praxis. Das ist teilweise echt hart, denn wenn ich um 16 Uhr nach Hause komme, dann heißt es oft: alles für den Hausbesuch vor zu bereiten und wieder ab ins Auto um zu einem Kunden zu fahren oder ich habe einen Kunden der zu mir nach Hause kommt. Und so komm ich dann oft erst sehr spät heim/ habe sehr spät Feierabend und am nächsten Tag geht’s dann in der eigenen Praxis weiter bzw. ich „muss“ wieder nach Sandens, um dort zu arbeiten. Ich habe das Gefühl es sind grad so 110% die ich arbeite. Und dann natürlich ein bisschen anders verteilt, wie wenn man die 110% zu normalen Arbeitszeiten hätte. Da bleibt leider wenig Zeit für mich und Marco und wie ihr sicher auch bemerkt habt, wenig Zeit um meinen Blog zu pflegen.

Aber es macht mega viel Spaß dort und das Team dort ist auch sehr nett. Ich wurde wieder herzlich aufgenommen. Es ist eine große Chance für mich und ich kann wieder sehr viel dazu lernen. Auch mein Norwegisch wird sich wieder weiter verbessern.
Ich erzähle jetzt einfach nochmal ein bisschen was über die Hverdagsrehabilitering und was meine Aufgaben dort sind.

Die Hverdagsrehabilitering (frei übersetzt Alltagsreha) ist ein gratis Angebot von der Stadt. Der Zweck ist, die Leute sollen so lang wie möglich zu Hause leben können und so wenig Unterstützung wie möglich brauchen. Ich finde das ist eine super Sache! Das bräuchten wir in Deutschland auch!! Und es ist unglaublich wie gut es funktioniert und wie groß die Veränderung danach ist.
Das Team in Sandnes besteht aus 2 Physiotherapeuten, 2 Ergotherapeuten, einer Trainerin (keine ausgebildete Fitnesstrainerin, eher sowas wie ein Pflegehelfer), die Chefin und jetzt zusätzlich ich.
Normalerweise bekommen wir eine Überweisung vom Arzt oder die Sozialstation oder aber Angehörige selbst melden die Teilnehmer/Patienten an. Oft kommen die Patienten auch vom Krankenhaus oder einer Kurzzeitpflege nach Hause und bekommen dann die Alltagsreha im Anschluss.
Wenn wir dann also die Meldung bekommen haben, dass jemand Hverdagsrehabilitering (gesprochen übrigens Werdagsrehabilitering) haben möchte/soll, lesen wir uns erst ein bisschen in die Krankheitsgeschichte ein und rufen dann bei dem Patient an, um uns vorzustellen (Das Alltagstraining ist ein sehr neues Angebot, die Alltagsreha gibt es erst seit 4 Jahren.) und einen Termin für einen Besuch aus zumachen.
Zu dem Besuch kommen dann normalerweise ein Physiotherapeut und ein Ergotherapeut, sowie wenn möglich die Person, die dann später mit dem Patient trainiert.
Das ist entweder unsre eigene Trainerin, aber meist eine Schwester von der Sozialstation (Es gibt viele verschiedene Modelle des Alltagstrainings. In Stavanger z.B. arbeiten sie nicht mit der Sozialstation zusammen, die haben viele eigene Trainer. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Würde hier aber jetzt den Rahmen sprengen, wenn ich das näher erkläre. Wenn ihr allerdings mehr wissen wollt, so kann ich natürlich gerne einen extra Beitrag dazu machen.).
Bei diesem 1. Besuch versuchen wir dann heraus zu finden, wo der Patient Unterstützung braucht. Welche Hilfsmittel sind schon vorhanden und welche könnten evtl. sinnvoll sein noch zu beantragen? Wir überprüfen die Eigenmotivation, denn die ist sehr wichtig für das eigentliche Training. Wir versuchen mit dem Patient Ziele zu formulieren und wir testen die physischen Begebenheiten, wie zum Beispiel die Balance oder die Kraft der Beine (Das ist vor allem die Aufgabe des Physiotherapeuten.). Anschließend machen wir einen Termin aus, an dem das Training starten soll.
Dann kommt ein großer Bürokratieteil auf uns zu. Wir müssen alles dokumentieren. Wir müssen eine Art Vertrag schreiben, den der Patient dann später bekommt und wir müssen alles ins System eintragen. Der Physiotherapeut erstellt dann anschließend den Trainingsplan und der Ergotherapeut beantragt eventuelle Hilfsmittel.
Dann kann das Training losgehen. Es trifft sich der Physiotherapeut und der Trainer beim Patienten. Gemeinsam geht man durch das Übungsprogramm. Allerdings steuert erstmal der Physiotherapeut die Übungen und weist auf eventuelle Gefahren hin.
(Die Trainer haben wie schon gesagt eine Ausbildung als Pflegehelfer. Sandnes wird in verschiedene Zonen aufgeteilt, in denen die Sozialstation arbeitet. Jede Zone hat also ein eigenes Team an Pflegern und Pflegehelfern. Und wir arbeiten nicht mit allen zusammen, sondern jede Zone hat zwei Trainer. Das heißt, auch wenn die Trainer keine spezielle Trainerausbildung haben, so bekommen sie trotzdem ein speziellen „Kurs“ von uns, damit sie das Training übernehmen können. Es ist also schon ein gezieltes Training möglich, dennoch könnten noch bessere Effekte erzielt werden, wenn das Training ein Physiotherapeut machen würde. Aber auch hier wird ab und zu gespart und es wäre einfach zu teuer.)
Das Training kann aus verschiedenen Teilen bestehen. Klassische Hockergymnastik oder aber man geht eine Runde spazieren, unterstützt den Patient beim Kochen oder Einkaufen oder was er sich sonst so als Ziel gesetzt hat. Normalerweise findet das Training 3-5 mal die Woche statt. Je nach Trainingsprogramm variiert die Zeit sehr. Aber eine halbe Stunde pro Einheit auf jeden Fall. Wir haben aber auch Patient, wo die Trainer 2 mal am Tag kommen. Zum Beispiel um gemeinsam das Frühstück zu machen oder ihnen im Bad zu helfen und dann kommen sie nachmittags wieder um noch Übungen zu machen. Dann kann so ein Training auch mal insgesamt 60min dauern oder länger. Aber das ist alles kein Problem. (Ist das nicht ein super Angebot von der Stadt?! Und die Leute müssen gar nichts bezahlen.) Das komplette Angebot geht über 4 Wochen. Nach den ersten 2 Wochen kommt der Physiotherapeut nochmal persönlich vorbei, um das Training eventuell anzupassen.
Und nach den 4 Wochen treffen sich dann nochmal alle beim Patienten (Physio- und Ergotherapeut, sowie der Trainer). Dort werden die 4 vergangene Wochen zusammengefasst und überprüft ob man die Ziele erreicht hat, die man am Anfang festgelegt hat. Auch die Balance- und Krafttest vom Anfang werden noch einmal gemacht, um zu sehen ob sich etwas verändert hat.

Und ja meist (wahrscheinlich 90% aller) gibt es wirklich große Veränderungen. Die Leute sind wieder viel selbständiger und auch motivierter ihren Alltag wieder selbst in die Hand zu nehmen. Natürlich ist es nicht so dass ein schwer kranker Patient danach geheilt ist, aber wenn man davor viel Pflege gebraucht hat und man nicht mal mehr alleine aufs Klo konnte, so ist das doch ein großer Erfolg, wenn dies nach diesen 4 Wochen wieder möglich ist.
Wir haben auch Patienten bei denen wir vermeiden konnten, dass sie ins Altersheim mussten. Es ist toll zu sehen, was man in nur 4 Wochen erreichen kann. Und die Kommune spart sich so natürlich auch Geld. Denn so ein Altersheim ist teuer und wenn man das nochmal um 3 Jahre hinauszögern kann, ist das natürlich super.

Nach ca. 6 Wochen nach Abschluss des Trainings wird der Patient noch einmal getestet und es zeigt sich, dass meist die aktuelle gute Form gehalten werden konnte oder gar nochmal verbessert wurde.

Als Physiotherapeut dort zu arbeiten ist sehr spannend (Allerdings könnte ich mir es nicht als 100% Stelle mein Leben lang vorstellen. Das wäre vermutlich irgendwann nicht mehr genug, denn es ist nicht sehr fordernd und sehr eintönig, was das große Spektrum des Physiotherapeuten angeht.). Es ist so schön zu sehen wir man den Menschen helfen kann und sie sind einem sehr sehr dankbar (Das vermiss ich doch manchmal in meiner Praxis, da fühl ich mich teilweise doch sehr ausgenutzt.).

Und wenn man dann noch den Arbeitstag mit einem deutschen Arbeitstag vergleicht, so würden meine Kollegen in Deutschland vermutlich beginnen zu heulen, wenn sie das hören.
Es ist wirklich sehr entspannt. Man hat maximal 4 Patienten am Tag (Man darf es aber natürlich nicht mit einer normalen Physiopraxis vergleichen. Denn es ist ja eine ganz andere Art von Arbeit.) und die restliche Zeit verbringt man mit Dokumentation.

Ich muss immer schmunzeln, wenn die Kollegen dann sagen, dass heute aber ein stressiger Tag ist. Denn jeder Physio in Deutschland hat es 100mal stressiger an einem normalen Arbeitstag. Aber für die Norweger, die das nicht gewohnt sind, kann das dann schon mal stressig sein.

Ich würde behaupten die gute Mischung ist es. In Deutschland ist es vielleicht ein bisschen zu extrem und die Norweger könnten manchmal einen Zahn zu legen.

 

Der Job bei der Alltagsreha ist für mich also eine super Abwechslung zu meiner eigenen Praxis und auch ein festes Einkommen zu haben, ist natürlich super. Ganz klar!

Ich verlink euch jetzt hier nochmal die anderen Beiträge zu diesem Thema.

Mittwoch, 23.11.16 – Glücksnovember?! Ein neuer Job!!!

Mittwoch, 23.11.16 – Meine ersten Arbeitswochen als Vikar in Norwegen